Immer wieder kommt Kritik auf, dass der Bau von Seilbahnen zu stark in die Natur eingreift und nicht nachhaltig genug sei. Darauf reagieren die Seilbahnhersteller seit Jahren mit neuen Konzepten, energie- und ressourcenschonenden Verfahren und Innovationen.
Wir werfen einen Blick darauf, wie sehr Seilbahnen und Nachhaltigkeit heute zusammenpassen und haben dazu auch einen Experten von LEITNER befragt.
Das Stichwort Nachhaltigkeit spielt mittlerweile in vielen Bereichen des Lebens eine große Rolle: Das Bewusstsein, dass wir verantwortlich mit den Ressourcen auf unserem Planeten umgehen müssen, wächst stetig. Das gilt natürlich auch und insbesondere für den Bau von Seilbahnen, schließlich werden solche Anlagen oft direkt in der Natur errichtet und sind deshalb ein Beispiel für das Nebeneinander von Umwelt und modernster Technik.
Beim Gedanken an Seilbahnen denken viele zunächst an das reine Freizeitvergnügen: Seilbahnen bringen Wintersportler oder Wanderer hinauf auf den Berg. Das ist aber längst nicht alles: Seilbahnen erfüllen in unwegsamem Gelände, das sonst nur schwer oder gar nicht durch andere Transportmittel zu erreichen wäre, eine wichtige Versorgungsfunktion für Hütten und Almen.
Außerdem leisten sie einen wichtigen Beitrag zur Inklusion, schließlich hat dank der Seilbahnen jeder die Möglichkeit, die Faszination Berge zu erleben, egal ob Kinder, Senioren oder Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen. Zudem kann man mit der Installation von Seilbahnen die Besucher am Berg besser steuern und so bleiben größere Flächen unberührter Natur für die Pflanzen- und Tierwelt bestehen.
Und nicht zuletzt erfüllen Seilbahnen auch immer mehr wichtige Transportfunktionen abseits der Berge: In Großstädten wie Medellin in Kolumbien oder Ankara in der Türkei sind Seilbahnen ein Teil des öffentlichen Nahverkehrs und auch immer mehr deutsche Städte denken darüber nach, in Zukunft auch auf Seilbahnen zu setzen. Pläne dazu gibt es unter anderem in Konstanz oder Stuttgart. Und in Berlin bleibt die Seilbahn von Hellersdorf nach Marzahn, die eigentlich nur für den Zeitraum der Internationalen Gartenausstellung 2017 genutzt werden sollte, weiterhin bestehen und bietet den ca. 100.000 im Einzugsgebiet der Seilbahn wohnenden Berlinern ein perfektes Aufstiegsmittel auf den Kienberg sowie eine ideale Alternative, um sicher und schnell zur U-Bahnlinie U5 zu gelangen.
Betrachtet man den CO2-Austoß von verschiedenen Verkehrsmitteln pro Person und Kilometer, so schneiden Seilbahnen mit am besten ab: Bei einer Auslastung von nur 50% verursacht eine Seilbahn 27g CO2, ein Zug mit E-Lok 30g, ein Bus mit Dieselmotor 38,5g und ein Benzin-PKW sogar 248g! Seilbahnen sind also für die Umwelt merklich weniger belastend als andere Verkehrsmittel. Dies ist auch ein Grund dafür, warum es immer mehr Seilbahnen in der Stadt gibt: Weniger Emissionen, weniger benötigte Fläche und auch deutlich günstiger als beispielsweise der Bau einer U-Bahn - und die tolle Aussicht bekommt man gratis dazu!
Von Kritikern wird oft ins Feld geführt, dass beim Bau von Seilbahnen Umweltflächen zerstört, Schneisen geschlagen und die Umwelt verschandelt wird. Aber wie sähe die Alternative aus? Würde man statt einer Seilbahn eine Straße auf den Berg bauen, die in der Lage wäre, genauso viele Menschen und Güter zu transportieren, hätte dies viel größere Eingriffe in die Natur zur Folge: Die Straßentrassen müssten deutlich breiter sein als die für eine Seilbahn. Außerdem hat eine Seilbahn wesentlich geringere Auswirkungen im Bereich Lärm, CO2 und Staub. Auch sind die Investitionskosten geringer und der Platzbedarf ist ebenfalls kleiner, da für Seilbahnen oft der direkte Weg gewählt werden kann, während Straßen um Hindernisse herum oder im steilen Gelände als Serpentine verlaufen müssen.
Wir haben mit Rudolf Beha über das Thema gesprochen, dem Verantwortlichen der Abteilung Projektierung bei LEITNER ropeways, einem der größten Seilbahnhersteller der Welt.
Viel besser als wir Anlagenbauer können diese Frage die Skigebietsbetreiber beantworten, die ja nicht nur von ihrem Skigebiet, sondern auch in ihm und mit ihm leben. Und diese signalisieren uns durch ihre große Investitionsfreude – wobei sie privates Geld investieren! – dass die Bedingungen für den Wintersport auch heute und in Zukunft als gut bis sehr gut eingeschätzt werden.
Der erste Schritt bei einer neuen Seilbahn läuft im Zuge des Genehmigungsverfahrens ab. Hier wird bei kleineren Projekten eine naturschutzrechtliche Prüfung durchgeführt. Bei größeren Projekten kommt es zu einer Umweltverträglichkeitsprüfung, die sich über ein Jahr und länger hinziehen kann. Im Zuge dieser Verfahren werden Auflagen definiert, die zum Schutz der Umwelt einzuhalten sind. Es kann aber auch vorkommen, dass dabei ein Projekt als Ganzes abgelehnt wird, weil die Eingriffe in die Natur zu groß wären.
Bei der Seilbahnanlage selbst wird sehr darauf geachtet, dass keine oder möglichst wenig umweltbelastende Stoffe zum Einsatz kommen. Dies geht bei modernen Anlagen bis zum getriebelosen Antrieb, dem so genannten Direct Drive, so dass kein Getriebeöl mehr erforderlich ist und die Lärmbelastung sehr stark reduziert werden kann. Das ist unter anderem bei der Dorfbahn in Gerlos im Zillertal schon der Fall. Mit dem DirectDrive, der zu hundert Prozent im Hause LEITNER entwickelt und produziert wird, können wir die hohen Ansprüche unserer Kunden an Zuverlässigkeit, Nachhaltigkeit und Geräuscharmut wie kein anderes Unternehmen erfüllen. Ein weiteres Kriterium ist die kompakte Bauweise der Anlagen. Wenn die Stationen nicht in ein Gebäude integriert werden sollen, so ist lediglich eine meist begehbare Verkleidung der technischen Einrichtungen notwendig. Dadurch reduziert sich die überbaute Fläche und die Sichtbarkeit der Anlage in der Landschaft.
Unsere Anlagen sind zum größten Teil aus Stahl hergestellt, so dass die Komponenten problemlos recycelt werden können. Der größte Faktor in Bezug auf den ökologischen Fußabdruck ist der Energieverbrauch. Durch die Reduktion der Verlustleistung durch den getriebelosen Antrieb und den Einsatz von Seilführungsrollen mit sehr geringem Rollwiderstand reduzieren wir den Energieverlust, was sich sehr stark auf die Optimierung, das heißt auf die Reduktion des ökologischen Fußabdrucks auswirkt. Dass wir bei der Produktion unserer Komponenten alle Verfahren nach dem neuesten Stand der Umwelttechnik anwenden, versteht sich von selbst.
Das sind alles drei Systeme, die uns helfen, Energie einzusparen:
Supercaps sind Hochleistungskondensatoren, die als Energiespeicher genutzt werden. Sie ermöglichen es, Seilbahnkabinen auf der Strecke effektiver mit Energie zu versorgen. Die Kondensatoren werden dabei bei jeder Stationsdurchfahrt wieder geladen.
Der Rollengenerator ist dagegen eine alte Technik. Ähnlich wie der Dynamo beim Fahrrad wird mit dem Rollengenerator aus der Drehbewegung der Laufrollen eines Seilbahnlaufwerks elektrische Energie zur Versorgung der Kabine gewonnen. Dies funktioniert allerdings nur bei Zweiseil- oder Dreiseilbahnen oder bei Standseilbahnen, da nur die Fahrzeuge dieser Systeme über Rollen auf einem unbewegten Tragseil oder einer Schiene laufen und so eine für die Energieerzeugung nutzbare Drehbewegung der Laufrollen vorhanden ist. Bei Einseilbahnen ist dies nicht möglich.
Solarpanels sind eine sehr gängige Technik, um Kabinen mit elektrischer Energie zu versorgen. Direkt auf dem Kabinendach angebracht können sie, über Akkus gepuffert, die Versorgung von Einsprecheinrichtungen, Infoscreens, Kabinenbeleuchtung und ähnlichem sicherstellen. Solarpanels auf den Stationen selbst haben nur in sehr seltenen Fällen Sinn (siehe Alp Dado in Laax), da die Stationen nach der Seilbahntrasse und nicht nach dem Sonnenstand ausgerichtet werden müssen. Dadurch wäre die Ausrichtung der Solarzellen bei den meisten Anlagen nicht optimal.
Viele Seilbahnen werden heutzutage erneuert, weil sie den heutigen Anforderungen an Komfort und Förderleistung nicht mehr entsprechen. Abgesehen davon können Seilbahnen bei entsprechender Wartung sehr lange leben. Die Norm empfiehlt, je nach System, eine Lebensdauer von mindestens 30 Jahren. Ein schönes Beispiel ist die Predigtstuhlbahn in Bad Reichenhall. Sie ist bereits 90 Jahre alt und damit die älteste noch im Originalzustand erhaltene Pendelbahn der Welt. Derzeit sind wir dabei, die Anlage auf den neuesten Stand der Sicherheitstechnik zu bringen, ohne aber das originale Erscheinungsbild der Anlage zu verändern.
Bei Seilbahnen gibt es wie bei allen Anlagen Verschleißteile wie beispielsweise Lauf- oder Führungsrollen, die nach einiger Zeit – meist sind dies Jahre – getauscht werden müssen. Auch die Seile sind nicht dauerfest, obwohl ihre Lebenszeit sehr lange sein kann. Bei Tragseilen von Pendelbahnen oft viele Jahrzehnte. Aus diesem Grund unterliegen die Seile jeder Seilbahn periodischen Überprüfungen, bei denen sie visuell auf äußere Schäden und magnetisch auf innere Schäden untersucht werden.
Ich rechne damit, dass sich die Seilbahnen wieder mehr in den Städten etablieren, da dort die Verkehrsflächen auf dem Boden ausgereizt sind und große U-Bahnen nicht überall notwendig und auch nicht finanzierbar sind. Im Gebirge rechne ich damit, dass die Nachfrage nach Komfort ungebrochen stark sein wird. Mit dem wachsenden Sommertourismus werden die Bahnen auch vermehrt für alternative Sportarten verwendet werden, auch hier werden an die Produkte neue Anforderungen gestellt werden.
Bereits seit Jahren besteht eine große Nachfrage nach ansprechendem Design. Es reicht nicht mehr, eine sichere und funktionale Anlage zu liefern. Die Anlage muss auch ästhetisch ansprechend sein. Design und Architektur sind im Anlagenbau nicht mehr wegzudenken. In der Stadt ebenso wie im Skigebiet. Hierbei arbeiten wir schon seit vielen Jahren mit der italienischen Designerschmiede Pininfarina zusammen, die unter anderem auch Designs für namhafte Marken wie Ferrari und Maserati entwerfen. Unsere Kabinen EVO und Symphony sowie die neue LEITNER Station zeigen, dass auch die Ästhetik eine bedeutsame Rolle spielt.
Wie auch in anderen Industriebereichen wird sich der Automatisierungsgrad der Anlagen weiter erhöhen bis hin zur Selbstdiagnose der Sicherheitsbauteile und zum vollautomatischen Betrieb ohne Überwachungspersonal.